Förderschüler sind das Highlight der Woche im Pflegeheim

Sie besuchen eine Brückenklasse, in der Schulunterricht und Jugendhilfe sich ergänzen. Nachmittags stehen besondere Projekte an – zum Beispiel die Begegnung mit alten Menschen im Seniorenheim Mea Optima.

Foto: Anja Settnik Hochkonzentriert liefern sich Schüler und Senioren einen Wettbewerb - in Zweierteams und mit bester Laune.

von Anja Settnik

Sie besuchen eine Brückenklasse, in der Schulunterricht und Jugendhilfe sich ergänzen. Nachmittags stehen besondere Projekte an – zum Beispiel die Begegnung mit alten Menschen im Seniorenheim Mea Optima.

Sie haben ihr Päckchen zu tragen und sind bestimmt nicht immer Musterschüler. Aber wenn der Besuch im Altenheim Mea Optima am Rand des Gocher Neubaugebiets Neu-See-Land ansteht, sind sie alle mit Feuereifer dabei. Es gibt nur lächelnde Gesichter und volle Konzentration – auf beiden Seiten, aber besonders bei den Schülern der Astrid-Lindgren-Schule. Das Gocher Förderzentrum unterhält in Kooperation mit der Jugendhilfeeinrichtung Anna Stift Brückenklassen, in denen Kinder vom Grundschulalter bis zur zehnten Klasse mehr Aufmerksamkeit erfahren als in anderen Klassen. Verschiedene Angebote, die sie ganzheitlich aufs Leben vorbereiten sollen, gehören dazu. Seit einigen Monaten besucht eine dieser Gruppen regelmäßig das Gocher Seniorenheim Mea Optima am Ostring/Aenne-Biermann-Straße. Dort werden sie jedes Mal schon sehnsüchtig erwartet.

Zum Beispiel von Anneliese, die als ehemalige Geschäftsfrau ein kommunikativer Mensch ist. Gerne unterhält sie sich mit Robin, der sich ebenfalls nicht ziert, mit der alten Dame munter zu plaudern. Später wird sie mit Emily im Team gegen Jason und Martha, Lea und Maria und einige weitere Duos bei Geschicklichkeitsübungen antreten. Ohne dass dies betont werden muss ist allen klar: Hier geht’s um Spaß und Miteinander. Was ja nicht heißen muss, dass man sich nicht freuen darf, wenn man die Partie gewinnt.

Ein bisschen sieht es aus wie einst Kulenkampffs TV-Show „Einer wird gewinnen“. Zwei Miteinander-Spieler nutzen zwei Schwimmnudeln als flexible Brücke, auf der ein Ball rollen soll. Rollen – und an der richtigen Stelle in einen Eimer gekippt werden. Da kommt’s auf Gefühl und gemeinsames Agieren an. Ob man einen Ball schafft, zwei oder gar drei – egal. Die Seniorinnen (es sind nur Frauen dabei) freuen sich an ihrem Erfolg und die Jungs und Mädchen genauso.

Ein zweites Spiel ist auch nicht ohne und trainiert die Reflexe. Das Auge sieht, das Gehirn erkennt, die Hand handelt: Über einen Tisch werden in rascher Folge nach und nach farbige Bälle gerollt. Das übernimmt zum Beispiel Jason, der als hellblonder Jüngster ein bisschen den Lieblings-Status hat. Das Duo, das gerade an der Reihe ist, muss mit einem roten und einem blauen Becher nur die Bälle fangen, die die passende Farbe haben und alle anderen durchlassen. Dafür gibt’s wiederum Punkte. Und manches Gelächter, wenn der Becher im heißen Gefecht mal wieder nach der grünen oder gelben Kugel grapscht.

Aufstehen vom Stuhl, mit dem Rollator durch die Wohnküche, kleine Hindernisse umkurven – Bewegung gehört auch dazu. Und der Nachwuchs übt sich ganz nebenbei in Höflichkeit, Rücksicht, Nachsicht. Die Schüler mal so zu erleben tut Schulleiter Thomas Hegmann gut; er kennt sie auch anders. Nicht umsonst besuchen sie eine Klasse, in der Jugendhilfe eine große Rolle spielt, weil die Jungen und Mädchen den normalen Schulalltag ohne Begleitung durch die Spezialisten nicht bewältigen würden. Auch Claudia Hartmann und Dirk Jasik vom Anna Stift sind sehr zufrieden mit der Aktion.

Die Schüler, ob zehn oder 15 Jahre alt, haben alle Probleme mit Sprache, dem Lernen oder der sozialen Entwicklung. Im Austausch mit den alten Menschen verhalten sie sich jedoch vorbildlich. Weshalb für den einen oder anderen von ihnen auch durchaus die Möglichkeit im Raum steht, in der Altenhilfe vielleicht mal ein Praktikum zu machen, hofft der Schulleiter.

Für die Seniorinnen, die ihr Treffen mit den Schülern „Anti Aging Time“ nennen, geht es nur darum: mit den jungen Leuten eine gute Zeit zu haben – eine willkommene Abwechslung im Heimalltag. Wer das noch kann, geht natürlich gerne – auch in Begleitung von Pflegern oder Ehrenamtlern – am See spazieren, aber über die Unterhaltung mit den Jugendlichen geht nichts drüber. Alle freuen sich schon auf die nächste Begegnung.

Anja Settnik (05.06.2025 , 05:15 Uhr). Förderschüler sind das Highlight der Woche im Pflegeheim. Rheinische Post. 
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